Zwangsstörungen (Zwangsgedanken und Zwangshandlungen)

Für viele Menschen gehören Rituale zum Leben. Wenn jedoch die Rituale zunehmend zur Belastung werden und das Gefühl dazu kommt, nicht mehr frei handeln zu können, wurden aus den Ritualen eine Zwangserkrankung.

Was ist ein Zwang?

Jeder kennt Gedanken wie „Habe ich wirklich den Herd ausgemacht?“ oder „Ist die Tür auch wirklich gut verschlossen?“ Viele Menschen haben dann den Impuls noch einmal nachzusehen und zu kontrollieren und zu überprüfen, ob alles in Ordnung ist. Dies kann ganz harmlos sein, doch wenn der Impuls gewisse Handlungen zu wiederholen so stark ist, dass der Alltag und das berufliche und soziale Leben beeinträchtigt wird und es zu einem Verlust der Flexibilität kommt, kann man von einem Zwang sprechen. Für eine Diagnose muss dieser Zustand zumindest 2 Wochen lang auftreten.


Was ist eine Zwangsstörung?

Zwangsstörungen umfassen wiederkehrende Zwangsgedanken und Zwangshandlungen, die den Alltag der Betroffenen massiv einschränken. Die Betroffenen leiden unter unangenehmen Gedanken, Vorstellungen und Handlungsimpulsen, die sich den Betroffenen regelrecht aufdrängen und unter ritualisierten Gedanken- und Handlungsketten, die dazu dienen die unangenehmen Gedanken und Vorstellungen zu lindern.
Bei diesen Gedanken, Vorstellungen und Handlungsimpulsen handelt es sich um für Außenstehende bizarre Gedanken, die rational kaum nachvollziehbar sind. Zum Beispiel Angst vor Ansteckung, Vergiftung, Verschmutzung, Krankheit, Streben nach Symmetrie und/oder Ordnung, Aggression, Sexualität und Religion.

Obwohl die Betroffenen selbst diese Gedanken unter Umständen auch als abstoßend und belastend empfinden, können sie sich dagegen nicht wehren und müssen eine Handlung setzen, um die Gedanken zu lindern oder zu neutralisieren bzw. Ängste und Anspannung zu reduzieren. In vielen Fällen werden diese Gedanken von äußeren Reizen ausgelöst, sie können aber auch spontan auftreten.

Viele Betroffene sehen ein, dass die Handlung unsinnig ist, können sie dennoch nicht unterlassen, sie fühlen den inneren Zwang sie auch gegen ihren eigenen Willen durchführen zu müssen. Kann die Handlung nicht durchgeführt werden, so steigt die innere Anspannung und Angst der Person stark an, was diese wiederum kaum ertragen kann.

In den meisten Fällen treten Zwangsgedanken und -handlungen gemeinsam auf. Viele Betroffene müssen sich mehrere Stunden pro Tag mit ihren Zwängen beschäftigen, was für sie eine massive Belastung darstellt.


Welche Arten von Zwangsstörungen gibt es?

Generell kann zwischen Zwangsgedanken und Zwangshandlungen unterschieden werden, wobei diese in der Regel meist in Kombination auftreten.

Zwangshandlungen umfassen Wasch-, Reinigungs- und Putzzwänge, sowie Kontroll- und Ordnungszwänge. In selteneren Fällen kommt es auch zu Berührungs- und Sammelzwängen. Ebenso zählen Gedankenzwänge, wie beispielsweise das wiederholte Zählen bis zu einer bestimmten Zahlk zu den Zwangshandlungen, weil sie auch darauf ausgerichtet sind, die Spannung und Unruhe zu reduzieren oder ein Unheil in der Zukunft abzuwenden. Die häufigsten Zwangshandlungen sind Kontrollrituale, Waschrituale, Zählzwänge und zwanghaftes Fragen.

Zwangsgedanken sind Gedanken oder Vorstellungen, die sich dem Betroffenen gegen dessen Willen aufdrängen und ihn intensiv beschäftigen und vielfach belasten. Zwangsgedanken drehen sich sehr häufig um folgende Themenbereiche:

  • Ansteckung/Erkrankung/Vergiftung: Angst sich bspw. durch Berührung von Türklinken oder Griffen mit Krankheitserregern zu infizieren
  • Verschmutzung: Befürchtung sich zu verschmutzen
  • Streben nach Symmetrie und Ordnung: Unruhe, wenn Gegenstände nicht akribisch geordnet sind

Zu den häufigsten Zwangsgedanken zählt die Angst vor Ansteckung, krankhaftes Zweifeln, und ein übersteigerstes Symmetriebedürfnis.

Bei sehr vielen Patienten kommen zudem mehrere Zwangsgedanken gleichzeitig vor, aber auch mehrere Zwangshandlungen. Um eine Zwangsstörung zu diagnostizieren muss bei erwachsenen Patienten die Einsicht vorhanden sein, dass die Zwangsgedanken bzw. -handlungen übertrieben oder unbegründet sind.

Viele Patienten leiden zusätzlich zu ihrer Zwangsstörung unter Angstgefühlen, Anspannung, Verzweiflung, Unruhe und Depressionen, was die Lebensqualität massiv beeinträchtigt. Dazu kommt intensives Grübeln und das Hinterfragen von Handlungen und Entscheidungen.


Welche Ursachen haben Zwangsstörungen?

Die Entstehung von Zwangsstörungen wird meist durch eine Kombination verschiedener Faktoren beeinflusst. Hier spielen sowohl körperliche, als auch psychische und soziale Faktoren eine Rolle. Ebenso können bei Zwangsstörungen auch die Gene eine Rolle spielen, denn es zeigte sich, dass auch Zwänge in einigen Familien besonders häufig auftreten. Bei vielen Betroffenen ereigneten sich im Vorfeld der Erkrankung belastende und stressende Lebenserfahrungen, die auch zur Entstehung der Erkrankung beigetragen haben können, wie beispielsweise der Verlust einer nahestehenden Person, Erkrankungen, Schwangerschaft etc.

Menschen, die an einer Zwangserkrankung leiden, bewerten oftmals Gedanken anders, als ihr Umfeld. Beispielsweise belasten sie Schuldgefühle und Ängste besonders stark. Bemerken die Betroffenen, dass ihnen eine Handlung hilft, diese Gefühle zu lindern und minimieren, erhöht sich die Wahrscheinlichkeit, dass ein Zwang entwickelt wird.


Welche Folgen haben Zwangsstörungen?

Zwangsgedanken und Zwangshandlungen sind eine massive Belastung für das Leben der Betroffenen. In vielen Fällen können sie lange Zeit ihre Zwänge verheimlichen und bemerken selbst nicht, dass es sich bereits um ein behandlungsbedürftiges Verhalten handelt. Daher suchen viele Betroffene erst auf Druck ihres Umfeldes therapeutische Unterstützung oder wenn die individuelle Belastung zu groß wird. Vielfach können Betroffene von Zwangsstörungen aufgrund ihrer Erkrankung auch ihrem Job nicht mehr nachgehen oder ziehen sich immer mehr zurück, da der Zwang viele alltägliche Aktivitäten erschwert oder gar unmöglich macht.


Psychotherapie von Zwangsstörungen

Bei der psychotherapeutischen Behandlung von Zwangsstörungen steht am Anfang der Aufbau einer vertrauensvollen therapeutischen Beziehung, damit es dem Betroffenen leichter fällt über seine Zwänge zu sprechen, denn viele Patienten schämen sich sehr für ihre Erkrankung. In einem weiteren Schritt gilt es über alle Anzeichen und Ausprägungen des Zwanges zu sprechen und genauer zu analysieren, welche Funktion der jeweilige Zwang für den Betroffenen hat. Aufgrund dieser Analyse kann nun ein Erklärungsmodell entwickelt werden, das die Zwangsstörung in einen rationalen Zusammenhang bringt.

Es gilt bei Zwangsstörungen besonders die dahinterstehenden Ängste zu besprechen und zu bewältigen. Dies gelingt in der Praxis häufig mit Hilfe eines Expositionstrainings bei dem der Betroffene sich absichtlich und zum Teil in Begleitung der Therapeutin/des Therapeuten in die angstauslösende Situation begibt ohne anschließend die Zwangshandlung durchführen zu können - beispielsweise berührt der Betroffene eine Türklinke ohne sich anschließend gleich die Hände waschen zu können. So wird der Betroffene seinen schlimmsten Befürchtungen ausgesetzt und muss sich mit den dahinterliegenden Gefühlen auseinandersetzen. Nach einer Weile verlieren so die unangenehmen Reize und Ängste an Intensität, da sich die Betroffenen daran gewöhnt haben und wissen, dass sie ihre Ängste aushalten können. Im Laufe der Therapie führen die Betroffenen diese Übungen auch immer häufiger alleine und in ihrem persönlichen Umfeld durch, so erhöhen sich ihre Selbstmanagementfähigkeiten und sie lernen mit ihren Ängsten und Zwängen alleine und selbstständig umzugehen.

Zusätzlich dazu oder in manchen Fällen auch alternativ werden die den Zwängen zugrundeliegenden Überzeugungen und Gedanken analysiert und behandelt, Strategien zur Vermeidung eines Rückfalls erarbeitet und Folgesitzungen besprochen.

Für den Therapieerfolg ist es wichtig, dass auch die Angehörigen in die Therapie miteinbezogen werden und die Therapie unterstützen.


Wie häufig sind Zwangsstörungen?

Zwangsstörungen kommen weltweit und in allen Kulturen gleichermaßen vor und zeigen sich auch in allen Kulturen auf die vergleichbare Art. 1-3% der Bevölkerung leiden einmal in ihrem Leben an einer Zwangsstörung. Frauen sind häufiger von Zwangsstörungen betroffen als Männer. In vielen Fällen zeigen sich Zwangsstörungen zum ersten Mal in der Kindheit oder jungen Erwachsenen-Alter. Durchschnittlich zeigt sich die Erkrankung erstmal im Alter von zwanzig Jahren. Es dauert aber oftmals viele Jahre bis die individuelle Belastung der Betroffenen so stark wird, dass sie professionelle Hilfe in Anspruch nehmen.


Was kann ich selbst tun?

Wichtig ist, dass Sie Ihr Verhalten beobachten und die Hintergründe bzw. Auslöser für bestimmte Alltagsrituale beobachten. Spüren Sie einen Zwang etwas zu tun, auch gegen ihren Willen oder jede Vernunft, so sollten Sie mit einer Therapeutin/einem Therapeuten sprechen. Er hilft ihnen dabei festzustellen, ob es sich um ein Ritual handelt oder ob das Verhalten bereits in den Grundzügen einer Zwangserkrankung entspricht.

Quellen
Über die AutorIn
Caroline Korneli

Redakteurin

Schlagworte Zwang Zwangsstörung