Essstörungen

Eine Essstörung liegt dann vor, wenn jemand sein Essverhalten stark kontrolliert, einschränkt oder aber die Kontrolle darüber verliert und das Körpergewicht und die Figur starke Auswirkungen auf das Selbstwertgefühl und Selbstbild haben.

Welche Arten von Essstörungen gibt es?

Zu den häufigsten Formen von Essstörungen zählt die Anorexia nervosa bzw. Magersucht, Bulimia nervosa (Bulimie) und die sogenannte Binge-Eating Störung. Es kann natürlich auch immer wieder zu Mischformen dieser drei Krankheitsbildern kommen.


Anorexia nervosa (Magersucht)

Zu den Hauptkriterien für die Anorexia nervosa bzw. Magersucht zählt die Weigerung, das Minimumgewicht für das jeweilige Alter und die entsprechende Körpergröße zu halten. Hinzu kommt bei den Betroffenen eine ausgeprägte Angst vor Gewichtszunahme oder generell davor „dick“ zu werden. All dies sind Anzeichen für eine Störung in der Wahrnehmung der eigenen Figur bzw. des Körpergewichts bzw. einen übertriebenen Einfluss des Körpergewichts auf die Selbstbewertung. Anorexia nervosa beginnt häufig mit einer Veränderung des Essverhaltens: Diät, Weglassen von Süßigkeiten, Änderung der Ernährungsgewohnheiten (Umstieg auf vegetarische oder vegane Ernährung) und einer allgemeinen Verringerung der Essensmengen. Die Betroffenen kontrollieren ihr Essverhalten akribisch und verlieren immer mehr Körpergewicht. Gleichzeitig verstärkt sich aber die Angst zuzunehmen oder die Kontrolle über das Essverhalten zu verlieren.

Die Behandlung der Magersucht ist ein schwieriges Unterfangen, da die Betroffenen trotz Therapie versuchen ihr Essverhalten weiterhin selbst zu kontrollieren, daher kann es passieren, dass sie bestimmte Verhaltensmuster verheimlichen oder bezüglich der zu sich genommenen Nahrung schummeln. Eine schwere Magersucht kann potenziell lebensgefährlich sein.


Bulimia nervosa (Bulimie)

Ein zentrales Anzeichen für Bulimie sind wiederholte „Essanfälle“ bzw. „Fressattacken“ nach denen sich die Betroffenen übergeben. Bei diesen „Essanfällen“ nehmen die Betroffenen eine Nahrungsmenge zu sich, die wesentlich größer als die durchschnittliche Menge an Nahrung ist, die andere Menschen in dem Zeitraum zu sich nehmen. Begleitet wird diese Episode durch das Gefühl die Kontrolle über das Essverhalten zu verlieren – sowohl was die Menge, als auch die Art der Nahrungsmittel betrifft. Der Drang zu essen ist bei den Bulimie-Betroffenen so stark, dass sie ihre Essanfälle extra planen und dafür einkaufen oder auch nachts noch Nahrung besorgen. Nach dieser „Fressattacke“ sorgen die Betroffenen dafür, dass sie sich übergeben und hungern als Ausgleich für diesen „Anfall“, was häufig einen weiteren „Essanfall“ zur Folge hat.

Patienten mit Bulimie versuchen mit vielen unterschiedlichen Maßnahmen der Gewichtszunahme entgegenzusteuern: selbst herbeigeführtes Erbrechen, Vermeidung von hochkalorischen Nahrungsmitteln, Einnahme von Abführmitteln, Appetitzüglern oder anderen Arzneimitteln, Fasten, exzessiver Sport etc. Ihre Figur und Gewicht haben einen extrem großen Einfluss auf das Selbstwertgefühl der Betroffenen. Man spricht von Bulimie wenn die Betroffenen dieses Verhalten zumindest zwei Mal pro Woche über einen Zeitraum von mindestens drei Monaten aufweisen.


Binge-Eating-Störung (Esssucht)

Bei der sogenannten Binge-Eating-Störung kommt es zu wiederholten „Essanfällen“ bei denen es den Betroffenen unmöglich ist, zu kontrollieren, wieviel sie essen. Der englische Begriff „binge“ bedeutet so viel wie „Gelage“ oder „Exzess“ und verdeutlicht, dass es sich bei dem Krankheitsbild um exzessive Nahrungsaufnahme handelt.

Betroffene der Binge-Eating-Störung haben wiederholte „Essanfälle“ bei denen sie in einem bestimmten Zeitraum (z.B. in zwei Stunden) eine Nahrungsmenge zu sich nehmen, die wesentlich größer ist, als die meisten Menschen in dem Zeitraum zu sich nehmen würden. Gleichzeitig kommt es dabei auch zu einem Gefühl des Kontrollverlusts. Die Betroffenen können während dieser Episode nicht kontrollieren, was und wieviel sie essen.

Fünf Faktoren begleiten diese „Essanfälle“ sehr häufig:

  • schnelles Essen bzw. wesentlich schneller, als sonst
  • es wird bis zu einem unangenehmen Völlegefühl bzw. zu einem Gefühl der Übelkeit gegessen
  • essen ohne Hungergefühl
  • alleine essen aus Scham
  • Ekelgefühle, Schuldgefühle, Niedergeschlagenheit, Traurigkeit nach dem übermäßigen Essen.

Im Gegensatz zur Bulimie kommt es bei der Binge-Eating-Störung nicht zu Maßnahmen, die das Essverhalten kompensieren, sprich die Betroffenen übergeben sich im Anschluss nicht oder betreiben als Ausgleich Sport bzw. fasten. Dies hat zur Folge, dass viele Binge-Eating-Betroffene übergewichtig oder fettleibig sind.

Viele Betroffene leiden neben der Binge-Eating-Störung auch an Depressionen, Angststörungen und anderen psychischen Störungen der Lebensqualität.


Woran erkennt man eine Essstörung?

Bei jedem Betroffenen zeigt sich eine Essstörung auf ganz individuelle Art und Weise. Die folgenden zehn Warnsignale können jedoch dabei helfen, eine Essstörung möglichst früh zu erkennen. Es ist hier auch wichtig zu betonen, dass nicht immer alle zehn Warnsignale auftreten müssen, um von einer Essstörung zu sprechen. Ebenso ist es oftmals sehr schwierig die ersten Anzeichen zu erkennen, da Essstörungen von den Betroffenen sehr lange und auch sehr gut verheimlicht werden.


Zehn Warnsignale zur Früherkennung von Essstörungen:

  1. Jugendlicher nimmt nicht mehr altersentsprechend an Gewicht zu.
  2. Betroffener verliert an Gewicht und versteckt den Körper gerne und oft.
  3. Gemeinschaftliche Nahrungsaufnahme bspw. mit der Familie wird vermieden
  4. Aufnahme von riesigen Mengen an Obst und Gemüse – strikte Vermeidung von Fett und Kohlenhydraten.
  5. Extrem langsames Essen, Nahrung wird in winzige Stücke geschnitten
  6. Intensive sportliche Aktivität
  7. Große Nahrungsmittel verschwinden aus dem Kühlschrank oder dem Vorratsschrank
  8. Häufige und vor allem lange Toilettengänge, oftmals direkt nach den Mahlzeiten
  9. Bei Jugendlichen: Übermäßiges Lernen
  10. Einnahme von Abführmitteln


Welche Ursachen gibt es für Essstörungen?

In sehr vielen Fällen beginnt eine Essstörung mit einer Diät. Dies muss jedoch nicht immer eine Voraussetzung für eine Essstörung sein. Grundsätzlich sind häufig eine Vielzahl an Einflussfaktoren an der Entstehung einer Essstörung beteiligt, die einander auch häufig beeinflussen. Neben Persönlichkeitsmerkmalen, sind es auch soziale Bedingungen und gesellschaftliche Entwicklungen die zur Entstehung einer Essstörung beitragen können. Vielfach zeigt sich bei den Betroffenen ein niedriges Selbstwertgefühl, Tendenz zur Ängstlichkeit, Schüchternheit, Perfektionismus, zwanghaftes Verhalten, Überforderungsgefühle etc.

Viele Betroffene haben bereits in der Pubertät Überforderungsgefühle, erleben Schwierigkeiten bei der Ablösung aus dem Elternhaus oder erleben emotional stark beeinflussende Erlebnisse wie Scheidung der Eltern, Todesfälle, Trennungssituationen, Gewalt- oder Missbrauchserfahrungen.

Aber auch gesellschaftliche Einflüsse wie Schönheitsideale können in der Entstehung von Essstörungen eine Rolle spielen.


Welche Folgen hat eine Essstörung?

Jede Essstörung ist anders. So auch die individuellen psychischen und körperlichen Auswirkungen der Erkrankung. Die folgende Übersicht zeigt daher nur, welche Auswirkungen möglicherweise durch eine Essstörung entstehen können sind jedoch in ihrem individuellen Erscheinen immer von der Gesundheit und den Lebensumständen der betroffenen Person abhängig.

Körperliche Auswirkungen

  • Ausbleiben der Regel, Unfruchtbarkeit, Fehl- oder Frühgeburten
  • Herzrythmusstörungen
  • Frühzeitige Osteoporose
  • Reizungen und Risse in der Speiseröhre
  • Zahnschäden
  • Benommenheit, Schwindel, Ohnmacht
  • Ständiges Kältegefühl
  • Haarausfall, trockene Haut
  • Elektrolytstörungen, Nierenprobleme
  • Magen-Darm-Probleme
  • Nachlassen der Sexualität
  • Niedriger Puls, niedriger Blutdruck
  • Niedrige Körpertemperatur

Psychische Auswirkungen

  • Stimmungsschwankungen
  • Depression
  • Vereinsamung, Isolation
  • Schuldgefühle
  • Schamgefühle
  • Soziale Probleme und Konflikte
  • Einschränkung der geistigen Leistungsfähigkeit
  • Müdigkeit


Wer ist besonders häufig betroffen?

Essstörungen kommen nicht nur im Erwachsenenalter vor, sondern können auch bereits im Kindes-und Jugendalter auftreten. Magersucht und Bulimie treten zu 95 Prozent bei Frauen und Mädchen auf. Die Binge-Eating Störung betrifft zu einem Drittel Männer.


Wie häufig sind Essstörungen?

Leider gibt es für Österreich keine epidemiologischen Daten, die besagen wie viele Menschen in Österreich an einer Essstörung leiden. Der Frauengesundheitsbericht greift hier auf die Anzahl der stationären Aufenthalte aufgrund von Essstörungen zurück, wobei dies nur die schwer Erkrankten umfasst. Im Jahre 1998 waren 1.520 Personen (zu 90% Frauen) stationär in Behandlung, im Jahr 2008 waren es um 80 Prozent mehr – nämlich 2.734 Personen (ebenso zu 90% Frauen).

Der Fachstelle Niederösterreich für Suchtprävention zufolge erkranken mindestens 200.000 Österreicher einmal in ihrem Leben an einer Essstörung.


Psychotherapie von Essstörungen

Zu den Therapiezielen bei Essstörungen zählen das Erlernen eines gesunden Essverhaltens und das Beibehalten dieses Verhaltens, Normalisierung und Stabilisierung des Körpergewichts, Analyse und Behandlung psychischer Begleiterkrankungen, körperliche und psychische Folgeerkrankungen behandeln, Behandlung sozialer Probleme. Für viele diese Ziele eignet sich eine Psychotherapie besonders gut.

Bei der Psychotherapie von Essstörungen werden zunächst die Therapieziele besprochen. Je nach Krankheitsstadium kann es sein, dass die Psychotherapie in Einzelsitzungen, in Gruppen oder abwechselnd in einer dieser beiden Formen stattfindet. Bei Kindern und Jugendlichen werden auch häufig die Bezugspersonen bzw. Angehörigen in die Therapie miteinbezogen, beispielsweise Eltern oder Partner. Zu den in der Therapie besprochenen Themen zählen Denkmuster, Selbstwert, Körpergefühl, Umgang mit Problemen, Umgang mit Gefühlen, Beziehung zur Familie und vieles mehr.


Was kann ich selbst tun?

Der wichtigste Schritt ist sich eine mögliche Essstörung selbst einzugestehen. Viele Selbsttests helfen dabei zu erkennen, ob das eigene Essverhalten eventuell krankheitsartige Züge aufweist. Die folgenden Fragen können Ihnen dabei helfen zu erkennen, ob Sie professionelle Hilfe in Anspruch nehmen sollten. Bitte bedenken Sie, dass die Beantwortung dieser Fragen jedoch keine Diagnose oder gar ein therapeutisches Gespräch ersetzen kann!


Bitte beantworten Sie die folgenden Fragen ehrlich und aufrichtig:

Nimmt Ihr Essverhalten sehr viel Raum in Ihrem Leben ein? Ja/Nein

Ist Ihr Selbstwertgefühl von Ihrer Figur oder Ihrem Gewicht abhängig? Ja/Nein

Essen Sie heimlich und/oder vermeiden Sie es mit anderen Menschen gemeinsam zu essen? Ja/Nein

Überessen Sie sich manchmal und haben Sie dabei das Gefühl die Kontrolle über Ihr Essverhalten zu verlieren? Ja/Nein

Übergeben Sie sich nach übermäßigem Essen? Ja/Nein

Machen Sie sich Sorgen, weil Sie manchmal mit dem Essen nicht aufhören können? Ja/Nein

Sollten Sie mehrere dieser Fragen mit „Ja“ beantwortet haben, so wäre es ratsam mit einer TherapeutIn/einem Therapeuten oder einer Ärztin/eine Arzt über Ihr Essverhalten zu sprechen.


Unterstützungsmöglichkeiten

Intakt- Therapiezentrum für Menschen mit Essstörungen: www.intakt.at

Sowhat. Kompetenzzentrum für Menschen mit Essstörung: www.sowhat.at

Hotline für Essstörungen der Wiener Gesundheitsförderung:
0800 - 20 11 20. Kostenlos - anonym – bundesweit, erreichbar Montag bis Donnerstag von 12-17 Uhr (ausgenommen Feiertage); e-Mail-Beratung: hilfe@essstoerungshotline.at

Quellen
Über die AutorIn
Caroline Korneli

Redakteurin

Schlagworte Essstörungen